Karte 1803

Landsturm

Bewaffnetes Volksaufgebot, das in Preußen gegen die napoleonische Besatzung organisiert wurde. Dem Plan lag die Idee der "Levée en masse", der Massenerhebung zugrunde, die August Graf Neidhardt von Gneisenau und Gerhard Johann David von Scharnhorst von den französischen Revolutionären übernommen hatten. Vorbild war auch der 1809 von Andreas Hofer geführte Volksaufstand gegen die französisch-bayerische Besatzung. Verfasser der von Karl August Freiherr von Hardenberg im Februar 1813 verkündeten Landsturm-Verordnung war der Oberstleutnant Jacob Salomon Bartholdy, ein enger Mitarbeiter Hardenbergs. Die Verordnung verpflichtete sämtliche männlichen Einwohner Preußens, die nicht zum regulären Heer, zu den Freiwilligenverbänden oder zur Landwehr eingerückt waren, sich ständig zur vollständigen Räumung eines vom Feind bedrohten Bezirks bereitzuhalten. Bei der Evakuierung der Einwohnerschaft sollte alles Vieh und sämtliche Lebensmittel mitgenommen, das andere, vor allem Alkoholbestände, vernichtet, Brücken, Kähne, Fähren, Brunnen, Häuser und Scheunen zerstört werden. Wohl wegen dieser Radikalität war die Verordnung undurchführbar und kam nie wirklich zur Anwendung. Der Berliner Religionsforscher Friedrich Köppen, ein Jugendfreund von Karl Marx, hat 1813 im Aufgebot der Hauptstadt einige sehr bekannte Namen beobachtet und Franz Mehring/ Bernt Engelmann haben den Bericht überliefert: "Die Professoren der Universität Berlin bildeten einen eigenen Trupp und übten sich häufig in den Waffen, der kleine bucklige Schleiermacher, der kaum die Pike tragen konnte, auf der äußersten Linken, der baumlange Savigny auf dem rechten Flügel; der lebhafte knirpsige Niebuhr exerzierte, daß die nur federgewandten Hände dicke Schwielen bekamen; der ideologisch tapfere Fichte erschien bis an die Zähne bewaffnet, zwei Pistolen im breiten Gürtel, einen Pallasch [einen langen, schweren Degen mit Korb] hinter sich herschleppend; in der Vorhalle seiner Wohnung lehnten Ritterlanze und Schild für sich und seinen Sohn. Der alte [Bildhauer Johann Gottfried] Schadow führte die Schar der Künstler an, Iffland [Generaldirektor des Berliner Nationaltheaters] stand an der Spitze der Helden der Bühne; diese wie jene meist abenteuerlich-mittelalterlich und phantastisch-theatralisch kostümiert und bewehrt: Sturm- und Pickelhaube, Flamberge und sogenannte Morgensterne kamen zum Vorschein; man sah auf dem Übungsplatz den Waffenschmuck Talbots und Burgunds, Wallensteins und Richards des Löwenherzen. Iffland selbst erschien einst mit dem Brustharnisch und dem Schilde der Jungfrau von Orléans, was große Heiterkeit erregte." Diese wie andere Schilderungen lassen schon erkennen, daß der Landsturm, der sich meist aus älteren Männern zusammensetzte, die militärisch nicht trainiert waren, hinter der Schlagkraft und Beweglichkeit der regulären Truppe weit zurückblieb.

Johann Gottlieb Fichte als Berliner Landsturmmann 1813

Johann Gottlieb Fichte als Berliner Landsturmmann 1813