Karte 1803

16. September 1813: Ein Mädchen in Männeruniform fällt im Kampf gegen die napoleonische Besetzung Preußens

Collage

 Eleonore Prohaskas Verwundung Friedrich Baron de la Motte-Fouquet Adolf von Lützow  Auszug der ostpreußischen Landwehr 1813 ins Feld Auszug der Freiwilligen aus Breslau

AudioLieber Bruder, nun habe ich dir etwas ganz Neues zu erzählen, worüber Du mir aber versprechen musst, nicht böse zu sein. Ich bin seit vier Wochen Soldat! ... Ich verkaufte zuerst mein Zeug, um mir Manneskleidung zu kaufen, bis ich Montierung erhalte. Dann kaufte ich mir eine Büchse für acht Taler, Hirschfänger und Tschako zusammen für drei und einen halben Taler. Nun ging ich unter die schwarzen Jäger.

Die das im April 1813 schreibt, heißt Eleonora Prochaska, stammt aus Böhmisch-Rixdorf, dem heutigen Berlin-Neukölln, wird im Militärwaisenhaus Potsdam und danach von ihrem Vater, einem pensionierten Unteroffizier, patriotisch erzogen. Sie beendet ihren Brief mit:

Lebe recht wohl, guter Bruder! Ehrenvoll oder nie siehst Du mich wieder...mit ewiger Liebe Deine Leonora, genannt August Renz, freiwilliger Jäger bei dem Lützowschen Freikorps, im ersten Bataillon des Detachements.

Die 28-jährige Frau gehört zu den zahllosen Freiwilligen, die der Begeisterungstaumel des Freiheitskrieges gegen Napoleon erfasst hat. Sie dient nun bei den schwarzen Jägern, jenen mit der Totenkopfkokarde am Tschako. Ein halbes Jahr später, am 16.September 1813, zieht das Freikorps, das im Rücken des Feindes operiert, in die Schlacht. An der Göhrde im Lüneburgischen treffen sie auf den Feind. Kartätschensalven richten furchtbare Verwüstung unter den Lützowschen Reitern an. Da ergreift August Renz, alias Eleonora Prochaska, die Trommel und sammelt den versprengten Rest. Die Kanonen werden erobert, das Mädchen aber schwer verwundet. Der helfende Feldscher entdeckt ihre wahre Identität.

„Der schneeweiße Busen verriet in pochenden Schlägen das jungfräuliche Heldenherz. Kein Laut der Klage kam über ihre Lippen, um die noch sterbend ein beseligtes Lächeln schwebte.“

Von ihrer Beisetzung am 7.Oktober auf dem St. Annen-Friedhof in Dannenberg, wenige Tage vor der Völkerschlacht bei Leipzig, berichtet der Chronist:

„Trauernd folgten dem Sarge, der von ihren Waffenbrüdern getragen wurde, das hannöversche und russisch-deutsche Jägercorps, der Oberst Graf Kielmannsegge nebst sämtlichen Offizieren. Der königl. Preußische Minister und außer ordentlicher Gesandter, Graf de Grote, hatte sich ebenfalls eingefunden. Eine dreimalige Gewehrsalve rief der vom Sturm des Krieges geknickten Lilie den letzten Gruß noch ins Grab“.

So wird die Potsdamer Jeanne d´Arc zur Legende und zur Symbolfigur. Elf Frauen sind namentlich bekannt, die es ihr gleich taten. So kämpft Anne Lühring aus Bremen unter Turnvater Friedrich Ludwig Jahn, Johanna Stegen aus Niedersachsen versorgt die Soldaten mit Munition und rettet Verwundete an vorderster Front, die Jüdin Esther Manuel wird bei der Kavallerie zum Wachtmeister befördert und Friederike Krüger aus Friedland wird mit dem Eisernen Kreuz geehrt.

Im Sommer hatte Theodor Körner, der bereits im August 1813 fällt, gedichtet:

Die wilde Jagd und die deutsche Jagd

Auf Henkersblut und Tyrannen

Drum, die ihr uns liebt, nicht geweint und geklagt!

Das Land ist ja frei, und der Morgen tagt,

Wenn wir's auch nur sterbend gewannen.

Und von Enkeln zu Enkeln sei's nachgesagt:

Das war Lützows wilde, verwegene Jagd.

Von Enkelinnen sang Körner nicht.