Karte 1803
Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher Das gelehrte Berlin

Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher

geboren21.11.1768 in Breslau

gestorben12.2.1834 in Berlin

Philosoph, Wissenschaftler, Theologe

Schleiermacher entstammt sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits einer Theologenfamilie. Die protestantischen Vorfahren der Mutter Maria Catharina, geborene Stubenrauch, waren zur Zeit der Gegenreformation von Österreich nach Preußen geflohen. Vater und Großvater hatten vorübergehend einer protestantischen Sekte angehört. Schleiermacher und seine Brüder genossen eine Erziehung bei den Herrnhutern. Nach dem Besuch der Schule in Breslau trat Schleiermacher 1783 in das Pädagogikum in Niesky bei Görlitz und 1785 in das Seminar in Barby/Eibe ein, wo die Herrnhuter ihren theologischen Nachwuchs ausbildeten. Ebenso folgerichtig war aber auch, dass Schleiermacher, der von Beginn an unter dem asketischen, ständig unter göttlichen Strafandrohungen stehenden und jeder Aufklärung feindlichem Millieu litt, erst nach Jahren der Ängste und Zweifel wagte, seinem Vater die Bedenken mitzuteilen und ihm 1787 in einem dramatischen Briefwechsel die Erlaubnis eines Studienplatzwechsels nach Halle abzuringen. Dort unternahm er erste schriftstellerische Versuche. Nach Ende des Studiums 1790 folgten Hofmeister- und Predigerstellen, die ihm Zeit ließen, seine Auseinandersetzung mit Spinoza und Kant zu vertiefen. 1796 kam er als Prediger an die Charité nach Berlin und begann, ein geselliges Leben zu führen. Der kleine, durch einen Unfall in der Kindheit etwas verwachsene Mann hatte unbestreitbar Charisma und wurde nicht zu unrecht als “Genie der Freundschaft“ bezeichnet. Seine liberale, überkonfessionelle Toleranz, zu der er inzwischen gefunden hatte, verschaffte ihm Zugang zu den Salons und zum Kreis der Romantiker. Er befreundete sich mit Henriette Herz, mit der ihn eine “intime Sezession“ verband, und mit Friedrich Schlegel, mit dem er 1797 eine gemeinsame Wohnung bezog. 1799 veröffentlichte er seine berühmt gewordene Schrift "Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern", in der er in schwungvoller poetischer Prosa den Glauben gegen die Beschränktheit der aufklärerischen Ratio verteidigte und sich die ideale Kirche weitgehend enthierarchisiert und entinstitutionalisiert als eine Gemeinschaft nach dem Vorbild der Geselligkeit der Frühromantiker vorstellte, in der er lebte. Der Entwurf enthielt unübersehbar den ersten Protest Schleiermachers gegen die Eingriffe des Staates in kirchliche Angelegenheiten (bis 1918 war der preußische König stets zugleich kirchliches Oberhaupt), die aber erst viel später zum Tragen kam und wiederholt zu Konflikten mit der Regierung führten, nachdem Schleiermacher zwar die von Friedrich Wilhelm III. 1817 geschaffene Union zwischen Lutheranern und Reformierten mit einheitlicher kirchlicher Verwaltung unterstützt hatte, sich aber gegen staatliche Reglementierungen des Gottesdienstes wandte.

1801 wandte er sich Eleonore Grunow, der Frau eines Kollegen, zu, die - unglücklich verheiratet - seine Zuneigung erwiderte, woraufhin Schleiermacher öffentlich die Liebe gegen die Ehe und das Recht auf Scheidung zu verteidigen begann. Die Kirchenbehörde, vor allem in Person des Hofpredigers Friedrich Samuel Gottfried Sack, hatte Schleiermachers Leben im romantischen Freundeskreis allein schon wegen des vielen Umgangs mit Juden zuerst misstrauisch und dann mit offener Missbilligung beobachtet. Nach einer offener Aussprache entschloss sich der Liebende, ganz dem romantischen Ideal entsprechend, wenigstens vorläufig zu entsagen und im Frühjahr 1802 nach Stolp in Hinterpommern ins Exil zu gehen. Insgeheim hoffte er jedoch, dass seine räumliche Ferne der Geliebten den Mut zu einer Entscheidung geben würde und glaubte, ihr zu einer Scheidung raten zu dürfen. Einstweilen harrte er aus und begann mit der Übersetzung der Dialoge des griechischen Philosophen Platon. Das Mammutwerk zog sich bis zum Erscheinen des letzten Bandes 1828 hin, und gilt bis heute als beste deutsche Platon-Übersetzung. 1804 erreichte den Einsamen, der sehr unter der nur durch Briefe unterbrochenen Isolation und zunehmenden gesundheitlichen Störungen litt, der Ruf an die bayerische Universität Würzburg, wo eine protestantisch-theologische Fakultät eingerichtet werden sollte. Trotz Bedenken war Schleiermacher gerade dabei, seine Entlassung aus preußischen Diensten zu beantragen, als ihn Friedrich Wilhelm III. überraschend an die Universität Halle berief. Mit seinem Eintreffen in Halle im Oktober desselben Jahres war Schleiermachers Exil, jedoch nicht sein Liebesleiden beendet. Erst im Herbst 1805 entschloss sich Eleonore Grunow nach jahrelangem Schwanken, die schon eingeleitete Scheidung zurückzuziehen und bei ihrem Ehemann zu bleiben.

1806 wurde Halle von napoleonischen Truppen besetzt, die Hochschule geschlossen. Schleiermacher arbeitete zunächst als Prediger weiter, beschloss aber nach Berlin zurückzukehren, nachdem Halle im Juli 1807 zum neugegründeten Königreich Westfalen gekommen war. In Berlin wurde er 1809 Pfarrer an der Dreifaltigkeitskirche und heiratete die Witwe eines Freundes, Henriette von Willich, mit der er vier Kinder haben sollte und einen höchst geselligen Haushalt führte. Er war bereits Mitglied der Gründungskommission der Berliner Universität und wurde1810 Professor und erster Dekan an der Theologischen Fakultät, außerdem Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. Schleiermacher gehörte zu jenen preußischen Reformern, die sich im “System Metternich“ ihrer nationalen und liberalen Bestrebungen wegen verdächtig machten und sich polizeilichen Bespitzelungen und Verhören ausgesetzt sahen. 1815 drängte man ihn aus dem Unterrichtsdepartement, 1823/24 wurde infolge der Karlsbader Beschlüsse seine Entlassung als Hochschullehrer erwogen. Zu dieser Zeit war er noch dazu in schwere kirchenpolitische Konflikte verwickelt. 1811 erschien die “Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen“, die zur Grundschrift der neueren Theologie wurde, und 1821 sein Hauptwerk “Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt.“

Als Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher am 12. Februar 1834 im Alter von 66 Jahren an einer Lungenentzündung starb, folgten (nach dem Zeugnis des Historikers Leopold von Ranke) 20–30 000 Menschen seinem Sarg. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof der Dreifaltigkeitskirche in Berlin am Ende der nach ihm benannten Straße.

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