Karte 1803

Friedrich Eberhard von Rochow

geboren11.10.1734 in Berlin

gestorben16.5.1805 in Reckahn bei Brandenburg

Pädagoge

Friedrich Eberhard von Rochow wurde am 11.Oktober 1734 in Berlin als das zehnte von insgesamt vierzehn Kindern des Staatsministers und Kammerpräsidenten Friedrich Wilhelm von Rochow und seiner Frau Fridericke Eberhardine (geb. von Görne) geboren. Die Rochows waren eines der ältesten märkischen Adelsgeschlechter, die sich bis ins 13. Jahrhundert nachweisen liessen und deren Linie sich 1520 geteilt hatte; hier haben wir den bei Brandenburg beheimateten Reckahner Zweig vor uns. Neben seinen Ämtern hatte der Vater noch die im Familienbesitz befindlichen Rittergüter Reckahn, Krahne, Göttin, Mesdunck und Rotscherlinde zu leiten, was er "mit unermüdlichem und klugen Fleiß" tat. Auch die Mutter war den Kindern ein grosses Vorbild, indem sie ihnen jene frühe "Herzensbildung" zukommen liess, die für Friedrich Eberhard bestimmend wurde. Im Alter von vier Jahren erhielt er, wie im Adel damals üblich, den ersten Hauslehrer. Der hatte nicht nur für den Unterricht, sondern auch für die standesgemäße Erziehung zu sorgen, war damit aber meist überfordert, weil er selbst nicht aus der Adelsschicht kam und nicht über die notwendige Sozialisation verfügte. Auch mit der Bildung und der Didaktik war es wohl nicht sehr weit her. Rochow erinnert sich später: "Man führte mich nach den Gebräuchen meiner Zeit zum toten Buchstaben zuerst. Mein lebhafter Geist verseufzete die lernfähigsten Jahre hinter lateinischen Autoren im dumpfen Zimmer. Sie handelten von Dingen, die mich nichts angingen. Auswendig gelernte Zeitrechnungen, welche die Natur widerlegt und die Geschlechterfolgen aller Tirannen kosteten mir Schmerz und Tränen." Der begabte Rochow, der trotzdem lernte und bei einer späteren Prüfung den lateinischen Text gleich in der deutschen Übersetzung vorlas, hat sich gelangweilt. Seine Unzufriedenheit mochte mit ein Grund für einen ständigen Wechsel gewesen sein, so dass er es bis zu seinem 15. Lebensjahr auf ingesamt 11 Hauslehrer brachte. Anfang 1750 wurde er in die Brandenburger Ritterakademie aufgenommen, eine Fachschule, die schon sein Vater besucht hatte, und deren Zweck die Unterrichtung der Adligen in Sachen Kriegsdienst, Diplomatie und Verwaltung war. Da Friedrich Eberhard nicht der älteste Sohn war, wurde ihm, wie damals üblich, eine militärische Laufbahn zugedacht. Ende 1751 oder Anfang 1752 trat Rochow in das Leibcarabiner-Regiment in Rathenow ein. Im selben Jahr erkrankte er so schwer an den Pocken, dass er "dem Tode sehr nahe war". 1754 wurde er auf Anordnung Friedrichs II. in die Elitetruppe Garde du Corps in Potsdam versetzt. Rochow bedauerte, dass beim Militär nur Dienst und überhaupt nichts für die Bildung getan wurde. Er setzte seine schon in der Kindheit erworbene "Lesesucht", wie er das nannte, fort und bildete sich autodidaktisch mit Büchern weiter, was ihm von seinen Kameraden eher Verachtung als Bewunderung einbrachte. Als 1756 der Siebenjährige Krieg begann, wurde Rochow in der Schlacht bei Lobositz durch einen Schuss in den linken Arm verwundet. Er kam in das Winterquatier nach Leipzig, wo er Anfang 1757 Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) kennenlernte, der an der dortigen Universität eine Professur für "Moral und Beredtsamkeit" innehatte, und mit dem ihn sofort eine tiefe Freundschaft verband, die sich nach Rochows Abreise im Briefwechsel fortsetzte. Rochow brachte die Verwundung 1757 eine Beförderung zum Leutnant ein, doch noch bevor er wieder im Kampf eingesetzt wurde, duellierte er sich mit dem Kameraden Leutnant von Kuhlemann. Dabei wurde Rochow vom Degen des Gegners an der rechten Hand die Pulsader durchgeschnitten, er wurde ohnmächtig und überlebte schwer verletzt. Friedrich II. mißbilligte das Duell und ergriff die Partei Kuhlemanns. Da sich die Genesung hinzog, unterstellte der König, Rochow wolle sich um den Kriegsdienst drücken und verfügte am 14. April 1758 dessen unehrenhafte Entlassung aus der Armee. Rochow war nach eigener Auskunft erst nach drei Jahren wieder in der Lage, eine Schreibfeder, "nie aber wieder einen Cavallerie-Pollasch", das lange Schlachtschwert mit der grossen, breiten Klinge, zu führen. Er wäre deshalb ohnehin nicht mehr kriegstauglich gewesen, aber die Herabsetzung, die in dem Rauswurf bestand, musste ihn in eine tiefe Krise stürzen, über die ihm der Umgang mit Gellert, aber auch seine zukünftige Frau Christiane Louise von Bose, die er im Kreis Gellerts kennenlernte, hinweghalf. Die Heirat fand im Januar 1759 statt. Im Jahr darauf starb die Mutter Rochows, was den Vater veranlasste, sämtliche bisherigen Familiengüter Friedrich Eberhard zu übereignen, um sich in Ostpreußen den sanierungsbedürftigen Besitzungen zuzuwenden, die der Familie mit dem Tod seiner Frau zugefallen waren. Den Reckahner Familienbesitz hatte er nach den Schäden des ersten Schlesischen Krieges saniert und übergab ihn dem Sohn schuldenfrei, eine Leistung, die dieser ihm auch hoch anrechnete. Er hätte also zufrieden sein können, doch vor allem die sozialen Verhältnisse, die er bei seinen Untertanen vorfand, beglückten ihn nicht. Infolge der Kriege gab es viele Witwen mit Kindern, die unversorgt waren, die Scharen von Bettlern und und vagabundierenden Waisenkinder, die bis von Berlin, wo man sie einfach vertrieben hatte, nach Reckahn kamen, waren das sichtbarste Zeichen einer grösseren Verwahrlosung. Rochow behob die Not in seinem Amtsbereich, so gut es ging, richtete eine Armenkasse ein und setzte sich für eine allgemein geregelte Armenfürsorge mit Armenhäusern und Versicherungen gegen Notfälle ein. Aber es blieb, dass die ihm anvertraute Landbevölkerung insgesamt einen demoralisierten Eindruck machte, schlecht wirtschaftete und nicht über das Wissen und die Kenntisse verfügte, im Rahmen der vorgegebenen Situation die eigene Lage zu verbessern. Rochow, der wie kaum ein anderer seines Standes der Überzeugung war, dass sein Wohl von dem seiner Bauern abhing, fühlte eine Verpflichtung. Es war der Freund Gellert, der ihm auf die Frage, auf welche Weise er am ehesten "zum Glücke seiner Untertanen" auf den eigenen Besitzungen "tausendfaches Gutes stiften" könne, 1763 riet, er solle sein Geld in die Erziehung und Ausbildung der Kinder investieren. Rochow eröffnete 1772 die erste Dorfschule in Reckahn, die bald zur Modellschule und Pilgerstätte für Schulreformer aus ganz Deutschland werden sollte, ergänzt durch den "Versuch eines Schulbuchs für Kinder der Landleute" (1772) und schließlich durch den "Kinderfreund" (1776/1779), der für die nächsten hundert Jahre nicht nur zum meist gebrauchten, sondern auch zum Vorbild aller Grundschulbücher wurde. Nach anfänglichem Mißtrauen und dem Verdacht, Rochow wolle aus Bauern Philosophen machen, fand das Reformprojekt auch die Zustimmung und Förderung des zuständigen Ministers Freiherr Karl Abraham von Zedlitz, im Gegensatz zu Friedrich II., der bei seiner Auffassung blieb, dass Schulbildung für Bauern überflüssig, wenn nicht sogar schädlich sei, weil diese dann ihren Stand verlassen wollen. Die Realität in Reckahn bewies das Gegenteil, wovon sich die vielen Besucher in den nächsten Jahren überzeugen konnten. 1778 richtete Rochow in Halberstadt, wo er seit 1762 Domherr war, ein Lehrerseminar ein. Ab 1790 wandte er sich wieder verstärkt der Verbesserung der landwirtschaftlichen Methoden zu und gründete 1791 die "Märkisch Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam", die zum Ziel die Beschäftigung "mit allen den Gegenständen, die zur Aufnahme und Beförderung der einheimisch-ländlichen und städtischen Nahrungsgeschäfte dienen", hatte. So wurde zum Beispiel ein Preis für die technische Weiterentwicklung der Ackergeräte ausgesetzt, und im Anforderungsprofil, dass Rochow erstellte, zeigte sich, dass er über die praktische Seite des Landbaus bestens Bescheid wusste. Der nebenbei überaus produktive Autor hat ein Werk mit über 50 Titeln hinterlassen. Als er 1805 im Alter von 70 Jahren starb, wurden seine Bemühungen nicht fortgesetzt. Da er der einzige Sohn gewesen war, der seine Eltern überlebt, und er selbst keine Nachkommen hatte, erlosch mit ihm auch der Reckahner Zweig derer von Rochows.

Friedrich Eberhard von Rochow