Karte 1763

10. Juli 1750: Voltaire, eine königliche Hassliebe

Collage Francois Marie Arouet, bekannt als Voltaire Voltaire und Friedrich II.  Friedrich II. von Preußen Friedrich II. von Preußen Pierre Louis Moreau de Maupertius

Großer Dichter, kleiner König (Hörstück)Für Friedrich II. ist Voltaire der bedeutendste Mann des Jahrhunderts. Er schickt ihm Geschenke und glühende Briefe. Voltaire folgt schon 1740 und 1743 kurz den Einladungen Friedrichs, aber erst1750 entschließt er sich, die Stelle eines Kammerherren in Sanssouci anzunehmen. Ein bekömmliches Gehalt von 5000 Talern, freie Wohnung, freie Tafel und Equipage haben den als habsüchtig geschilderten 56-jährigen Starautoren überzeugt. Zunächst schwärmen beide in höchster Bewunderung füreinander. Voltaire über Friedrich:

Die großen blauen Augen des Königs, sein holdseliges Lächeln, seine Sirenenstimme, seine fünf Schlachten, sein ausgesprochenes Gefallen an der Zurückgezogenheit und an der Arbeit, an Versen und an Prosa, endlich Freundlichkeiten um den Kopf schwindeln zu lassen, eine entzückende Unterhaltungsgabe, Freiheit , im Verkehr volles Vergessen der Majestät, die Aufmerksamkeit, die schon von Seiten eines Privatmannes bestricken würde, das alles hat mir den Verstand verrückt; ich ergeb mich ihm aus Leidenschaft, aus Verblendung und ohne zu vernünfteln.

Friedrich über Voltaire:

In unserem kleinen Kreis löscht das Licht des großen Dichters den schwachen Schein unserer Kerzen aus. Er allein besitzt Geist, und wir hören ihm mit Vergnügen zu.

Später trübt sich das Verhältnis, als sich Voltaire selbstherrlich in politische Vorgänge einmischt, betrügerische Finanzgeschäfte tätigt und schließlich zum Ärger des Königs eine böse Satire gegen den Präsidenten der Berliner Akademie, Maupertius, veröffentlicht. Friedrich lässt die Schrift ostentativ öffentlich verbrennen. Das Zerwürfnis eskaliert, als Voltaire am 26.März 1753 den Hof verlässt, heimlich einen Band Gedichte des Königs entwendet, um sie mit Gewinn drucken zu lassen. Der König schickt Emissäre hinter dem Schriftsteller her, die ihn in Frankfurt/Main festhalten, und nicht nur die Gedichte, sondern auch den Kammerherrenschlüssel und einen Orden zurückfordern. Ein hässlicher publizistischer Kleinkrieg beginnt. Nun äußert Friedrich über Voltaire:

Er ist der schlimmste Schurke auf der Welt. Du wirst staunen, was er hier alles an fragwürdigen Machenschaften, Doppelzüngigkeiten und Bosheiten verübt hat. Viele Verbrecher, die aufs Rad geflochten werden, verdienen ihr Geschick weniger als er.

Als der Ärger irgendwann abebbt, räumt der König ein:

Sie sind das verführerischste Geschöpf, das ich kenne...Sie wären vollkommen, falls Sie kein Mensch wären.

Und Voltaire über Friedrich, den er Luc nennt :

Luc (Codename für Friedrich) bleibt immer Luc; bringt nach wie vor sich und andere in Verlegenheit, setzt Europa in Erstaunen und überschwemmt es mit Blut, macht es arm und macht Verse dazu.

Als Voltaireim Jahre 1778 an einer Überdosis Opium stirbt, lässt sich der König schließlich zu der Eloge hinreißen: Himmlischer Voltaire, bitte für uns!