Karte 1922

Leopold von Ranke

geboren21.12.1795 in Wiehe a. d. Unstrut

gestorben23.5.1886 in Berlin

Historiker

1795 wurde Leopold Ranke (1865 in den Adelsstand erhoben,) in Wiehe an der Unstrut geboren. Sein Vater, einer der Honoratioren der thüringischen Kleinstadt, besaß ein kleines Gut und war der erste Advokat nach einer langen Reihe von lutherischen Geistlichen in seiner Familie. Die Religiosität seiner Vorfahren war ihm durchaus eigen geblieben und prägt die Kindheit seines Sohnes Leopold auch noch auf der kursächsischen Fürstenschule Schulpforta. 1814-1818 studierte er Philologie und Theologie in Leipzig und Halle und schien zunächst wie seine Vorfahren die geistliche Laufbahn anzustreben. Dann wandte er sich jedoch der Geschichte zu, wobei seine innere Bindung zur Religion gewahrt blieb, denn Geschichte war für Ranke Ausdruck des Wesens und Wirkens Gottes, eine „heil’ge Hieroglyphe“. 1815 wurde Rankes Heimatstadt preußisch. Drei Jahre später erhielt er eine Stelle als Gymnasiallehrer in Frankfurt an der Oder, 1825 wurde er Universitätsprofessor in Berlin. Hier prägte er der deutschen Geschichtswissenschaft seinen Stempel auf. Schüler von ihm beeinflussten die Geschichtswissenschaft in England und Amerika.

Ranke führte das seit dem nicht mehr wegzudenkende gründliche Studium und die kritische Überprüfung der überlieferten Quellen (Quellenkritik) in die Arbeit des Historikers ein, so dass aus ‚Geschichtsschreibung‘ überhaupt erst ‚Geschichtswissenschaft‘ in unserem heutigen Sinn wurde.

Rankes Geschichtstheorie hingegen, später als Historismus bezeichnet, gilt heute als überholt. Für das 19. und noch weit ins 20. Jahrhundert hinein war sie wegweisend. Die meisten Historiker folgten damals Rankes Auffassung, dass alle historischen Phänomene in ihrer Individualität zu fassen seien und nicht etwa aus allgemeinen Entwicklungen und Kräften erklärt werden könnten. Die Gesetze, die die einzelnen Erscheinungen miteinander verbanden, seien für uns nicht erkennbar. Demzufolge seien auch alle Epochen als gleichwertig anzusehen, als „gleich unmittelbar zu Gott“. Der Historiker soll das Geschehen durch einfühlendes, möglichst objektives Verstehen authentisch beschreiben und weniger die überpersönlichen Zusammenhänge zu erklären versuchen. Geschichte fand nach Ranke besonders im staatlichen und geistigen Bereich statt.

Politisch war Ranke ein Konservativer, ohne einer Partei anzugehören oder ein politisches Amt zu bekleiden. Aufklärung und Liberalismus fehlten in seinen Augen die in der Geschichte wurzelnde Legitimität. Er nannte sie „Manie der Volksverbesserung und des Vernichtenwollens alles Bestehenden“. Immerhin bewirkten sie die Weiterentwicklung des legitimen, patriarchalischen, organisch gewachsenen Staates: individuelle Freiheiten und soziale Gerechtigkeit waren hohe Ideale, durften aber nur durch den Staat von sich aus gewährt und bewahrt werden. So sah er etwa im Preußen der ersten Regierungsjahre Friedrich Wilhelms IV. dieses Ideal erreicht. Nach 1848 gewann er die ihn beunruhigende Auffassung, dass der Aufstieg des Bürgertum nicht mehr aufzuhalten sei und sah deshalb BismarcksBündnis mit den Nationalliberalen mit Sorge. Er fasste erst dann Vertrauen ins neu gegründete Reich, als er die Überzeugung gewonnen hatte, dass die das „preußisch-protestantische Prinzip“ erhaltenden Kräfte stark genug sein würden und Bismarck „wieder zurückkehre zu den alten Zuständen einer überkommenen Welt.“ Er stimmte nie ein in den Chor der liberal-nationalen Historiker der preußischen Schule; daran hinderten ihn die religiösen Bindungen seines Denkens und seine viel mehr preußische als deutsche Gesinnung. So schrieb er wie auch Johann Gustav Droysen eine preußische Geschichte („Neun Bücher preußischer Geschichte“ 1848/48), die aber lange nicht die Resonanz erhielt wie das Werk seines jüngeren Kollegen. Anders als dieser und entgegen dem Zeitgeist konstruierte Ranke nicht eine nationale Mission Preußens, sondern beschrieb dessen innere Entwicklung und partikularstaatliche Machtpolitik.

Die Bandbreite der Themen, von denen Ranke handelte, war nicht national, sondern europäisch. Sie umfasste die Geschichte Frankreichs und Englands, der Päpste und der Reformation. Die große Synthese, seine im Alter begonnene „Weltgeschichte“, blieb unvollendet.

Ranke starb am 23.05. 1886 in Berlin.

Leopold von Ranke