Karte 1922

16. Oktober 1906: Wer Uniform trägt, siegt

Collage  Strafvollzugsakte des Wilhelm Voigt Der Hauptmann von Köpenick ist gefasst Wilhem Voigt nach seiner Haftentlassung Das Rathaus von Köpenick  Parademarsch des Füsilier-Bataillons des 4. Garde-Regiments auf dem Tempelhofer Feld Hörstück„Ein Vorfall, wie er in der heimischen Verbrechergeschichte seinesgleichen sucht (...) hat sich am gestrigen Abend in dem benachbarten Köpenick zugetragen. Dort hat ein Gauner in der Maske eines Garde-Offiziers mit Hilfe einer Abteilung Soldaten, die er durch eine gefälschte Kabinettsorder täuschte, den Bürgermeister und den Stadt-Rendanten im Rathaus verhaftet, beide unter militärischer Bewachung nach Berlin transportieren lassen und dann die Stadtkasse, in der sich etwas über 4 000 Mark in bar befanden, ausgeraubt. Polizei und Gendarmerie sind in fieberhafter Tätigkeit, des Gauners, der mit seinem Raube unangefochten entkam, habhaft zu werden.“

Nicht nur in diesem Bericht des „Berliner Lokal-Anzeigers“ vom 17.Oktober 1906 schwingt ein bisschen Bewunderung mit, ganz Deutschland lacht über den Schuster Wilhelm Voigt, der mit einem verwegenen Gaunerstückchen die Uniform-Gläubigkeit der Zeit für seine Zwecke nutzt.

RealVideo mit Katharina ThalbachSelbst Seine Majestät Wilhelm II. ist nicht unbeeindruckt, wie der Daily Mail aus Berlin zu berichten weiß:

„Sein Sinn für Humor wurde zutiefst angerührt, wie seine telegraphische Anmerkung zur Person des vorgeblichen Offiziers als eines genialen Kerls erweist.“

Voigt, der schon mehrfach im Gefängnis gesessen hat und Deutschland verlassen will, geht es eigentlich um die Erlangung eines Passes, den er auf amtlichen Wege einfach nicht bekommen kann. So versucht der arbeitslose Schuster, die Behörden zu überlisten. Mit einer beim Trödler erworbenen Hauptmannsuniform bekleidet, gelingt es ihm, auf seinem Weg zehn Mann des I. preußischen Arbeitsregiments zu stoppen und ihnen eine Fahrt nach Köpenick zu befehlen. Dort angekommen, begibt er sich nach der Verhaftung etlicher Stadtoberer auf die Suche nach dem Passamt. Ein solches existiert im Köpenicker Rathaus jedoch nicht. Nachdem er das erfahren hat, beschlagnahmt der selbsternannte „Hauptmann“ die Stadtkasse, die 4000 Mark und 70 Pfennige enthielt. Er quittiert den Betrag vorschriftsgemäß, jedoch mit falschem Namen und Titel. Unter der Bewachung seiner zehn Gardesoldaten werden sodann die Verhafteten auf die Neue Wache Unter den Linden nach Berlin geschickt. Der falsche Hauptmann ist plötzlich verschwunden. Wenige Tage später wird er verhaftet und, nachdem er ein umfassendes Geständnis abgelegt hat, zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, die allerdings später durch des Kaisers Gnaden auf zwei Jahre gemindert werden.

Der Hauptmann von Köpenick spricht nach seiner Begnadigung zu seinen Sympathisanten

„Wer die Uniform trägt, der siegt, nicht weil er besser oder klüger oder weitsichtiger wäre, sondern weil er uniformiert ist. Die sehr ernste Seite des Falles ist die Anbetung des heiligen Rockes, .... Der bunte Rock gilt als so heilig, daß der Träger dieses Rockes schon fast selber als Heiliger gilt, der weit über Urteil und Vorurteil erhaben ist.“