Karte 1922
Alfred Graf von Schlieffen Helmut Johannes von Moltke

September 1914    Der Schlieffenplan

Als Graf Alfred von Schlieffen im Jahre 1913 stirbt, hinterläßt er seinem Nachfolger als Generalstabschef Helmuth Johannes von Moltke d. J. (dem Enkel des Siegers von 1870/71) eine Denkschrift, die später nur noch Schlieffenplan genannt wird und die Basis bildet für das strategische und zunehmend auch das politische Denken im deutschen Reich bis 1914.

Schlieffen ging in seiner 1905/06 verfaßten Denkschrift von folgenden Grundannahmen aus:

Deutschland würde sich in einem kommenden europäischen Krieg von seinen Gegnern eingekreist sehen. Der einzige noch sicher verbliebene Verbündete würde Österreich- Ungarn sein. Es wäre mit einem Zwei-Frontenkrieg zu rechnen, im Westen gegen Frankreich, im Osten gegen Rußland. Da die Rohstoff- und Lebensmittelversorgung Deutschlands von Importen abhängig ist, reichen die Reserven nur für einen Krieg von kurzer Dauer. Rußlands Armee braucht aufgrund der Weite des Landes und rückständiger Verkehrsverbindungen erheblich mehr Zeit zur Mobilmachung, als das französische Heer. Die französische Armee ist an der deutsch- französischen Grenze hinter einem System von Festungen aufgestellt und gedeckt, sowie dem deutschen Heer an Zahl nicht mehr generell unterlegen.

Die Schlussfolgerungen aus diesen Prämissen sind geprägt von militärischer Rationalität, die wenig Spielraum für politische Belange lassen.

Ganz in der Tradition des Kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges sehen sich die deutschen Militärs und Politiker ohne Alternative zum Schlieffen-Plan. Er sei der angeblich „einzige Weg zum Sieg“.

Vorausgesetzt wird das Handikap Russlands, im Falle einer Generalmobilmachung nur relativ langsam seine Gefechtsbereitschaft herstellen zu können. Bis dahin sollte Frankreich in einer Art Blitzkrieg besiegt werden, um dann mit der vollen militärischen Kraft Rußland niederzuringen.

Dies war eine Umkehrung des Aufmarschplans vom alten Moltke, der eine Anfangsoffensive gegen das Zarenreich befürwortete. Dahinter stand die Furcht vor einer längeren Kriegsdauer.

Schlieffen wollte jedoch in jedem Fall einen Zermürbungskrieg vermeiden.

Der Kern seines Planes ist die zangenförmige Einkesselung des militärischen Gegners im Westen. In einer einzigen großen Bewegungsschlacht sollte Frankreich geschlagen werden: Während der linke deutsche Flügel gegenüber der französischen Festungslinie Belfort-Epinal- Verdun passiv blieb, sollte der stärkere rechte Flügel in einer großen Ausholbewegung die französische Armee im Rücken umgehen und einkesseln. Politisch gesehen war der Schlieffen-Plan schon in der Theorie verhängnisvoll, weil er, um die französischen Festungslinien entlang der Kanalküste zu umgehen, die Verletzung der belgischen Neutralität in Kauf nahm und so den Kriegseintritt Englands provozierte. Damit wäre die „Idee des kurzen Krieges“ eigentlich von vornherein ad absurdum geführt gewesen.

Der am 2. August 1914 zum Generalstabschef ernannte Sohn des alten Moltke hielt dennoch am Schlieffen-Plan fest, was einerseits auf eine hohe Risikobereitschaft und andererseits auf eine gewisse Realitätsblindheit hindeutet.

Der französischen Militärführung war der Schlieffen-Plan zwar 1914 bekannt, sie glaubte jedoch nicht an seine Umsetzung. Statt dessen beabsichtigte sie, die Deutschen im Raum Lothringen zu einer großen Entscheidungsschlacht zu zwingen. Die Umsetzung dieses Plans durch General Joffre spielte der deutschen Seite direkt in die Hände und führte Frankreich an den Rand einer Niederlage.

In einem schnellen Vorstoß durchquerten deutsche Armeen bis Anfang September Belgien und Nordfrankreich und konnte erst zwischen dem 5. und 10. September an der Marne aufgehalten und zum Rückzug gezwungen werden.

Wilhelm II. und seine Generäle Hindenburg und Ludendorff bei der Lagebesprechung

Grüße von der Front in die Heimat