Karte 1922

19. Oktober 1917: Die ersten Luftangriffe gegen englische Städte verbreiten eher Schrecken als Schaden

Collage  Zur Abwehr bereit Ferdinand Graf von Zeppelin Das Luftschiff Die Folgen der Zeppelinbombardements über London  Ein Luftschiff nach dem Absturz

Seit dem Jungfernflug des ersten deutschen Luftschiffes, der Zeppelin LZ-1, am 2. Juli des Jahres 1900 herrscht in Preußen und in ganz Deutschland ein wahres „Zeppelin-Fieber“. Vor allen anderen Nationen schicken sich die Deutschen an, den Luftraum zu erobern. Und das mit den tonnenschweren, hundertmetergroßen Luftschiff-Kolossen. Zum ersten Mal erscheint nun auch im Kriegsfall das englische Festland direkt angreifbar. Doch angebliche die neue Wunderwaffe erweist sich als schwerfällig....

Im September 1916 hatten die britischen Militärbehörden ihr Flugabwehrsystem stark verbessert und sind in der Lage zur Luftverteidigung sehr wendige Flugzeuge einzusetzen. Die einzige Möglichkeit, sich mit den langsam fliegenden Luftschiffen gegen diese Flugzeuge zu behaupten, besteht darin, über ihrer maximalen Steighöhe zu fliegen.

Erste Bombenabwürfe auf englische Städte verlaufen erfolgreich. Zwar richten sie keine großen Schäden an, aber der Schock in der Bevölkerung ist groß. Erstmalig ist das Land direkt und jederzeit aus der Luft verwundbar.

Der erste große Zeppelinangriff soll am 19. Oktober 1917 erfolgen. 13 deutsche Luftschiffe fahren gen England. In einer Höhe von 5000 Meter geraten die Fluggeräte in eine Schlechtwetterzone. Sturm und dichte Wolken machen die Navigation so schwierig, dass einige Luftschiffe gezwungen sind auf 6300 Meter, ihre maximale Steighöhe, aufzusteigen. Nachdem die Besatzungen mehrere Stunden unter der kalten und dünnen Luft in dieser Höhe zu leiden haben, versuchen die Luftschiffe mit ihrer Bombenlast die nächstgelegene Küste zu erreichen.

Zur Katastrophe soll es jedoch noch kommen. Vier der Zeppeline treiben über Frankreich ab, durch den starken Wind völlig manövrierunfähig geworden. Als sie gezwungen sind, niedriger zu fliegen, werden sie abgeschossen. Die anderen befinden sich ebenfalls noch über Frankreich, als ihnen der Treibstoff ausgeht: Das L 45 landet im Tal des Flusses Durance, es wird von seiner Besatzung selbst in Brand gesetzt, das L 49 muss ebenfalls landen, seine Besatzung wird festgenommen. Als die Besatzung des L 50 nach einer Notlandung das Luftschiff verlassen will, wird es plötzlich aus der provisorischen Verankerung gerissen und von dem starken Wind bis in die Schweizer Alpen getragen. Der Rest der Besatzung kann hier das Luftschiff unversehrt verlassen, stirbt aber in der eisigen Gegend den Kältetod.

Ein anderer Zeppelin, das L 55, wird über Frankreich von einem Flugzeug angegriffen, steigt aber weiter hoch, in dem es sämtlichen Ballast, sogar Benzinvorräte, über Bord wirft. In einer Höhe von 7500 Metern beginnen die Männer aus Nase, Mund und Ohren zu bluten, der Wasservorrat gefriert zu Eis, und obwohl man dem Kühlwasser der Motoren ein wenig Alkohol beigefügt hat, gefriert auch dieses. Der Zeppelin kann seinen Stützpunkt in Alhorn nicht mehr erreichen und muss in Tiefenrot an der Werra landen, wo er demontiert wird.

Der Luftangriff auf England ist zu einer schrecklichen Katastrophe geworden, die mit dem Verlust von fünf neuen Luftschiffen und ihren Besatzungen endet.

Von insgesamt etwa 100 fertiggestellten Luftschiffen gehen während des Krieges 26 Luftschiffe durch feindliche Aktionen, 14 durch schlechte Witterungsverhältnisse und 12 durch Feuer oder Explosion verloren. Bei 19 Abstürzen kommt jeweils die gesamte Besatzung ums Leben.

Am Ende des I. Weltkriegs gibt es nur noch 9 Luftschiffe im Dienst der Marine. Alle müssen laut Waffenstillstandsabkommen an die Alliierten ausgehändigt werden. Das Zeppelin-Fieber ist endgültig der Ernüchterung über den verlorenen Krieg gewichen.