Karte 1922

Otto Geßler

geboren6.2.1875 in Ludwigsburg (Württemberg)

gestorben24.3.1955 in Lindenberg im Allgäu

Wer war Otto Geßler?
Sicher eine der wichtigsten Personen der Weimarer Republik, seltsamerweise aber auch eine der blassendsten Gestalten in deren Geschichtsschreibung. Obwohl Geßler acht Jahre lang eines der wichtigsten Ämter der Republik inne hatte, das des Reichswehrministers, ist sein Name merkwürdig unterrepräsentiert, und anders als andere Persönlichkeiten seiner Zeit in der Forschung fast vergessen. Dies muß verwundern, zumal acht Jahre in einem Amt in Zeiten der Weimarer Republik wie eine Ewigkeit anmuteten, wechselten die Kabinette und Regierungen doch in immer kürzeren Abständen. Die eigentümliche Diskrepanz zwischen Amt und öffentlicher Erscheinung liegt begründet in der Amtsauffassung des Ministers Geßler und in der Rolle seines Chefs der Heeresleitung General von Seeckt, der es verstand, sich als führenden Kopf der Reichswehr zu positionieren. Seeckt und nicht sein vorgesetzter Minister gilt als Schöpfer der Reichswehr. Für die Entwicklung der Weimarer Republik und ihrem letztendlichen Scheitern war die Reichswehr als Waffenträger von zentraler Bedeutung und damit auch die Position des Reichswehrministers. Die zögerliche Haltung des bisherigen Reichswehrministers Noske gegen die Putschisten des Kapp- Putsches 1920 das Heer einzusetzen, hatte dessen Rücktritt zur folge. Da sich in der regierenden SPD aber niemand fand den vakanten und schwierigen Posten zu übernehmen ernannte Reichspräsident Ebert am 24 Februar 1920 Dr. Otto Geßler von der DDP, quasi als Notlösung, gegen dessen Willen zum Wehrminister. Tatsächlich hielt sich Geßler für dieses Amt für ungeeignet, war er auf militärischem Gebiet doch ein Laie ohne Einblick und Erfahrung in militärischen Dingen. Im Kaiserreich war er lediglich einjährig Freiwilliger. Ob seines Verantwortungsbewußtseins übernahm er aber doch die Nachfolge Noskes. Fast über seine gesamte Amtszeit hinweg definierte er sich eher als politischer Blitzableiter seines Chefs der Heeresleitung, denn selbst als Gestalter. Nur einmal trat er tatsächlich als wirklicher Befehlshaber der Armee auf, als er 1926 General von Seeckt im Zuge der Prinzenaffäre aus dem Amt des Chefs entließ. Dies war auch deshalb möglich, weil Präsident Ebert 1925 verstorben war und nun der greise Feldmarschall Hindenburg neuer Reichspräsident war. Hatte Ebert direkt mit der hohen Generalität konferiert und so die Stellung seines verantwortlichen Ministers ausgehölt, hielt Hindenburg sich strickt an den Dienstweg und stärkte somit den Reichswehrminister als oberste Instanz. Generell aber hielt Geßler sich aus den militärisch- technischen Dingen heraus und sah seine erste Aufgabe darin, die Reichswehr gegenüber dem Parlament abzuschotten und aus den innenpolitischen Wirren herauszuhalten. Damit vergab er aber auch die Möglichkeit einer parlamentarischen Kontrolle der Armee und deren Demokratisierung. Doch obwohl Geßler die Diskrepanz zwischen antidemokratischer Armee und der republikanischen Staatsverfassung sehr wohl sah, mißtrauter er doch den republikanischen Offizieren zutiefst und war auch selbst Monarchist, obschon auch Linksliberaler. Seine politischen Leitbilder waren Bismarck und Friedrich Naumann. Letztlich obsiegte aber der Pragmatismus über die Vision. Die Republikanisierung des Armee wandelte sich unter seiner Hand zu deren „Entpolitisierung“. Dies schien ihm real einzig erreichbar.
Am 14. Januar 1928 muss der „ewige“ Reichswehrminister schließlich seinen Abschied nehmen. Ein Skandal, der sich um öffentlich gewordene geheime Geldgeschäfte und dunkle finanzielle Praktiken sowie schwarzer Kassen der Reichswehr entlud, kostete ihn das Vertrauen in der Öffentlichkeit und im Reichstag.
Otto Karl Geßler wurde am 6. Februar 1875 als einziges Kind eines württembergischen Wachtmeisters in Ludwigsburg in Schwaben geboren. Seine schulischen Leistungen in der Kindheit und Jugend wurden als flatterhaft beschrieben, erst eine schnell abgebrochene Schusterlehre überzeugte ihn von den Vorteilen der schulischen Bildung. Geßler besuchte schließlich eine Lateinschule, welche er mit dem Abitur abschloß. Daran schloß sich ein Jurastudium an, welches er mit einer Promotion mit der Auszeichnung Suma cum Laude beendete. Nach seinem Militärdienst als einjährig Freiwilliger arbeitete er 1902 und 03 in München als Rechtsanwalt, bevor er in den Staatsdienst eintrat. 1910 wurde er zum Bürgermeister von Regensburg gewählt. Erst für drei Jahre, dann auf Lebenszeit. Dennoch stellte er sich noch in Nürnberg zur Wahl, um auch dort 1913 den Posten des Oberbürgermeisters zu gewinnen. Seine politische Arbeit zeichnete sich besonders durch Erfolge in der Wirtschaftspolitik aus, die auch den Lebensstandart der unteren Schichten anhob. Während der Kriegsjahre ließ er zahlreiche Volksküchen errichten und Bekleidung für Bedürftige sammeln. Nach seinem Rücktritt als Minister war die aktive Zeit in der Politik für Geßler beendet. Zwar wurde er nochmals als Minister und sogar Reichskanzler ins Gespräch gebracht, letztlich gab es aber zu viele Widerstände gegen ihn. Weiterhin engagierte er sich aber in verschiedenen vereinen und Organisationen um die Stärkung des Reichsgedankens und warb um eine Verfassungsreform. Der nationalsozialistischen Machtergreifung stand er positiv gegenüber. Als Vorsitzender der Deutsch- Österreichischen Arbeitsgemeinschaft bemühte er sich intensiv um den Anschluß Österreichs an Deutschland. Den Einmarsch der Wehrmacht in Österreich begrüßte er dem entsprechend und sandte Hitler ein Glückwunsch-telegram. Erst später distanzierte Geßler sich von den Nazis, wobei er auch Kenntnis von den Putschplänen des Generalstabschefs Beck erhielt. Von Admiral Canaris, dem erklärten Gegner Hitlers und Chefs der Wehrmachtsspionage wurden ihm ausgedehnte Auslandsreisen ermöglicht, die Geßler auch dazu nutzte, den Kontakt zu emigrierten Politikern aufrecht zu erhalten. Nach dem gescheiterten Bombenattentat auf Hitler im Juni 44 geriet auch er in das Fadenkreuz der Gestapo. Er wurde verhaftet und in ein KZ eingewiesen. Im Februar 1945 ließ man Geßler aber aus ungeklärten Gründen wieder frei. Dem Widerstand ist der ehemalige Reichswehrminister aber nicht zuzuordnen, da er nie aktiv beteiligt war. Nach dem Krieg arbeitete er noch kurz als persönlicher Berater des ersten bayrischen Ministerpräsidenten, bevor er zum Vorsitzenden des Bayrischen Roten Kreuzes gewählt wurde und 1950 auch zum Vorsitzenden des deutschen Roten Kreuzes. Adenauer erwog noch ihn zum Beauftragten bezüglich der Fragen zur Vermehrung alliierter Truppen in Deutschland. Bundespräsident Heuß ernannte ihn noch zum Vorsitzenden einer Kommission, die prüfte, ob die verliehenen Kriegsauszeichnungen noch getragen werden dürften. Infolge eines Herzinfarktes verstarb Otto Geßler am 24. März 1955. Er wurde in Lindenberg im Algäu mit militärischen Ehren beigesetzt.

Otto Geßler