Karte 1922
Theodor Mommsen Theodor Mommsen

Theodor Mommsen

geboren30.11.1817 in Garding

gestorben1.11.1903 in Berlin

Theodor Mommsen wurde am 30. November 1817 als Sohn eines Pfarrers in dem kleinen Ort Garding im nordfriesischen Schleswig geboren, das zu Dänemark gehörte. Bis zu seinem 17. Lebensjahr wurde er zusammen mit seinen zwei jüngeren Brüdern vom humanistisch gebildeten Vater unterrichtet, bevor er 1834 das Gymnasium in Altona besuchte und nach Abschluß 1838 mit einem dänischen Stipendium an der Universität Kiel Rechtswissenschaften zu studieren begann. Zu seinen Lehrer im damals dänischen Kiel gehörten auch der klassische Philologe Otto Jahn und der preußische Historiker Johann Gustav Droysen, der damals gerade die Geschichte Alexanders des Großen schrieb und dessen an Hegel geschulte Methodik neben dem Historiker Barthold Georg Niebur nicht ohne Einfluß auf den jungen Mommsen geblieben ist. 1843 promovierte Theodor Mommsen über römisches Recht und ging 1844 mit einem dänischen Reisestipendium für die nächsten drei Jahre nach Frankreich und Italien, wo er sich ausgiebigen epigraphischen Studien zuwandte, die ihn zum Fachmann römischer Inschriften machten. Nach seiner Rückkehr 1848 arbeitete er als Redakteur der „Schleswig-Holsteinischen Zeitung“ in Rendsburg, in der er gegen dänische Ansprüche auf Schleswig-Holstein und für einen deutschen Einheitsstaat eintrat. Im selben Jahr erhielt Mommsen, der sich nie habilitiert hat, eine Professur für römisches Recht an der Universität Leipzig, wurde jedoch 1851 wegen seiner publizistischen Attacken auf die vom sächsischen König 1849 erlassene Verfassung und dessen Auflösung des Parlaments amtsenthoben und zu einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, die er nicht antrat. Nach Professuren in Zürich (1852) und Breslau (1854), wo die ersten drei Bände seiner „Römischen Geschichte“ erschienen, erfolgte 1858 der Ruf nach Berlin. Seit 1853 bereits korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, wurde er nun ihr ordentliches Mitglied und mit der Sichtung und Herausgabe einer umfassenden Sammlung aller lateinischen Inschriften (Corpus Inscriptionum Latinarum), eines von ihm schon seit langem geplanten Projekts, beauftragt. Von 1861-1888 war er außerdem ordentlicher Professor für römische Geschichte an der Berliner Universität und hatte 1874/75 das Amt des Rektors inne. Daneben leitete er als Sekretär von 1874 bis 1895 die Historisch-Philologische Sektion der Akademie der Wissenschaften. Seine in dieser Zeit entstandenen Werke wie die "Geschichte des römischen Münzwesens" (1860), die Editionen spätantiker Autoren (im Rahmen der Monumenta Germaniae Historica) und die Editionen der römischen Rechtsquellen, deren Systematik er für das öffentliche Recht mit dem "Römischen Staatsrecht" (1871-88) und dem "Römischen Strafrecht" (1899) rekonstruierte, gelten noch heute als Grundlage des Studiums römischer Geschichte.

Neben seinen vielfältigen wissenschaftlichen Arbeiten hat Mommsen 1863 bis 1866 für die Deutsche Fortschrittspartei, 1873 bis 1879 für die Nationalliberalen Mandate im Preußischen Abgeordnetenhaus wahrgenommen, 1881 bis 1884 ein Reichstagsmandat für die (von den Nationalliberalen abgespaltene) "Sezession". Mommsen Partei, aus der 1884 die "Deutsche Freisinnige Partei" entstand, spaltete sich 1893 noch einmal, woraus ein linker Flügel der "Freisinnigen Vereinigung", auch "Wahlverein der Liberalen" genannt, entstand, dem Mommsen angehörte. Die Abneigung gegen die konservativen Agrarier und das Zentrum ließ die Liberalen nach neuen politischen Bündnissen auf der Linken suchen. Im November 1899 bejahte ein Parteitag der "Freisinnigen Vereinigung" in Berlin grundsätzlich die Frage, "ob ein neuer politischer modus vivendi zwischen dem liberalen Bürgertum und der in der Sozialdemokratie organisierten Arbeiterschaft anzustreben sei", und Mommsen, der August Bebel sehr schätzte, konnte sich ein Zweckbündnis mit der entradikalisierten SPD vorstellen. Der antiklerikal und liberal eingestellte Mommsen, der Zeit seines Lebens an den demokratischen Idealen von 1848 festhielt, der mit seiner „Römischen Geschichte“ vor allem deshalb so bekannt geworden war, weil er darin Parallelen zu seiner Zeit gezogen hatte, so daß ihm die römischen Senatoren zur ostelbischen Junkerklasse, die equites zu Kapitalisten gerieten, unterstützte es deshalb auch, wenn seine Partei umgekehrt Gepflogenheiten der römischen Republik in den Reichstag brachte. So geschah es z.B., daß sich die Freisinnigen gemeinsam mit SPD zur parlamentarischen Obstruktion durch Dauerreden und Ausnutzen der Geschäftsordnung entschlossen, um einen Gesetzesbeschluß, in diesem Fall die Erhöhung der Zolltarife, hinauszuzögern und schließlich zu verhindern. Theodor Mommsen war sehr empört, als die parlamentarische Mehrheit mit einer Änderung der Geschäftsordnung das Zollgesetz durchsetzte und auch das Dauerreden verhinderte. Er hat seinem Unmut hier wie auch in vielen anderen Fällen publizistisch geäußert. 1879 beginnend mit dem Berliner Antisemitismusstreit, in dem er den Historiker Heinrich von Treitschke für dessen antisemitische Äußerungen und für dessen Konstruktion eines Gegensatzes zwischen Deutschen und Juden kritisierte, hat er sich viele Jahre in Aufrufen und Stellungsnahmen gegen den politisch immer erfolgreicher werdenden Antisemitsmus im deutschen Reich, der von vielen seiner Historikerkollegen mitgetragen wurde, engagiert. Nachdem die nur scheinbar Gebildeten unter den Antisemiten dazu übergegangen waren, in seiner „Römischen Geschichte“ Klassikerzitate zu finden, mit denen sie ihren Antisemitismus rechtfertigten und sich dabei zugleich auf Mommsen beriefen, scheint er resigniert zu haben. 1894 sagte er dem österreichischen Journalist Hermann Bahr (1863-1934): "Sie täuschen sich, wenn sie glauben, daß ich da was richten kann. Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, daß man da überhaupt mit Vernunft etwas machen kann. Ich habe das früher auch gemeint und immer und immer wieder gegen die ungeheure Schmach protestiert, welche Antisemitismus heißt. Aber es nützt nichts. Es ist alles umsonst. Was ich Ihnen sagen könnte, was man überhaupt in dieser Sache sagen kann, das sind doch immer nur Gründe, logische und sittliche Argumente. Darauf hört doch kein Antisemit". An seiner Meinung über Wilhelm II. und dessen imperialistischen Bestrebungen, wie sie sich im Flottenbau ausdrückten, hat er keinen Zweifel gelassen. Seiner Frau schreibt er im Mai 1896 aus Florenz: "Wahrscheinlich gehen wir sehr schweren Zeiten entgegen; es scheint, daß der wahnwitzige und verbrecherische Eigenwille des Mannes, der leider Deutschland regiert, nun zur Krisis führt und daß alle bösesten Leidenschaften und Begierden in diesem Abgrund ihre Rechnung finden werden. Wir armen Deutschen!"

Seine Frau, das war Maria Reimer, die Tochter seines Leipziger Verlegers, die er 1854 in seiner Breslauer Zeit geheiratet und mit der er 9 Söhne und 7 Töchter hatte. Der Kinderreichtum hatte die Familie zu häufigen Wohnungswechseln gezwungen, bevor sie sich in einem kleinen Häuschen in Berlin-Charlottenburg zusammendrängte, das ihre endgültige Bleibe wurde. Hier starb Theodor Mommsen am 1. November 1903, nachdem ihm, "dem gegenwärtig größten lebenden Meister der historischen Darstellungskunst, mit besonderer Berücksichtigung seines monumentalen Werkes ‚Römische Geschichte'", im Jahr zuvor der Nobelpreis für Literatur übergeben worden war.

Theodor Mommsen