Karte 1763

Allgemeine Deutsche Bibliothek

Eine allgemeinwissenschaftliche Rezensionszeitschrift, herausgegeben in Berlin von Christoph Friedrich Nicolai (1733-1811). Die seit 1755 vier Jahrzehnte lang erscheinende „ADB“ wurde bald zum führenden Organ der deutschen Aufklärung. In einem Prolog kündigte Nicolai das Ziel an: „In diesem Werk die ganze neue deutsche Literatur, von dem Jahre 1764 an, zu fassen. Man wird darinnen von allen in Deutschland neu herauskommenden Büchern und andern Vorfällen, die die Literatur angehen, Nachrichten erteilen.“ Nicolais ehrgeiziges Ziel war es, nicht allein auch die entlegensten Orte mit dem „wahren Werth“ der Bücher bekannt zu machen, sondern ein kritisches Forum für eine öffentliche Diskussion zu schaffen. Das ist ihm gelungen. Die mehr als 80 000 Rezensionen in insgesamt 268 Bänden regten nicht nur an, sondern viele Gemüter auch auf. Mit einem für damalige Zeiten riesigen Mitarbeiterstab (zeitweise arbeiteten mehr als 150 zum Teil sehr bekannte Autoren an der Bibliothek mit), handelte sich Nicolai den Vorwurf „Rezensionsfabrik“ ein, wie der Philosoph Fichte das Unternehmen sarkastisch nannte. Wenn die ADB bei den zeitgenössischen Autoren nicht immer oder immer weniger beliebt war, so lag das einmal daran, daß ihr Standpunkt mehr und mehr in Gegensatz zu den neuen Erscheinungen in der Literatur geriet, zum andern aber auch an der Rezensentenfeindlichkeit vieler Autoren. Fichte hat ein ganzes Anti-Nicolai-Buch geschrieben, und Goethe, der sich über eine von Nicolai verfasste Werther-Parodie ärgerte, zog gemeinsam mit Schiller in den „Xenien“ über Nicolai her. In dem kunstvollen Literaturkrieg zwischen Klassikern und Aufklärern schrieben die Weimaraner über Nicolais Roman „Geschichte des dicken Mannes“: „Dieses Werk ist durchaus nicht in Gesellschaft zu lesen, / Da es, wie Rezensent rühmet, die Blähungen treibt.“ Auch Jean Paul kommt in seiner Satire „Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch“ 1801 noch einmal auf Nicolais Literaturauffassung zurück: „Himmel! es waren (die Nicolaiten nämlich) aufgeklärte Achtzehnjahrhunderter; sie standen ganz für Friedrich II., für die gemäßigte Freiheit und gute Erholungslektüre und einen gemäßigten Deismus und eine gemäßigte Philosophie; sie erklärten sich sehr gegen Geistererscheinungen, Schwärmerei und Extreme; sie lasen ihren Dichter sehr gern als ein Stilistikum zum Vorteil der Geschäfte und zur Abspannung vom Soliden; sie genossen die Nachtigallen ... als Braten und machten mit der Myrte ... den Ofen heiß ...“. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Zeitschrift von herausragender Bedeutung für die deutsche Spätaufklärung war und heute eines der wichtigsten Dokumente deutscher Literaturgeschichte darstellt.