Karte 1763

Aufklärung

Bezeichnung für die historische Epoche, in der sich die europäischen Gesellschaften zwischen dem Ende des 17. Jh. und dem Ende des 18. Jh. von den Autoritätsansprüchen der Kirche, der absoluten Souveräne und der Scholastik zu emanzipieren suchten. Die Bewegung ist nach Ländern und Konfessionen verschieden, bei ihrer Ausbreitung nach Phasen, Tendenzen, Intensität und Wirkung beträchtlich verschoben. Sie gelangt, von England ausgehend, über Frankreich nach Deutschland. Ihre wichtigsten Vertreter sind Locke, Hume, Newton in England, Voltaire, Rousseau, Diderot in Frankreich; in Deutschland Leibniz, Wolff, Lessing, Mendelssohn, Pestalozzi und Kant. Politisch mündet die Aufklärung in Frankreich in die Revolution von 1789, in Deutschland gilt Friedrich der Große als der erste Herrscher, der sich an den Idealen der Aufklärung orientierte, ohne die absolutistische Herrschaftsform aufzugeben. Indem sich die Epoche selbst "the age of enlightenment", "le siècle des lumières", "Zeitalter der Aufklärung" nannte, grenzte sie sich bewußt gegen das Mittelalter ab, das nun als finster und irrational galt, weil es sich an Gott und nicht am Vernunftprinzip orientierte. Mancher Zeitgenosse wußte jedoch noch am Ende der Epoche offensichtlich nicht, was er eigentlich unter dem neuen Begriff zu verstehen hatte, wie eine anonyme Zuschrift im September 1784 an die Berlinische Monatsschrift belegt, die den Frühaufkärer Leibniz so beschreibt: "Der bekannte Leibniz machte durch seine Theodicee, die man damals für einen Hauptschlüssel hielt, im finstern Schafstall der christlichen Kirche eine Thüre auf, durch welche sich der Wolf hereinschlich, um durch Hülfe der Philosophie die Schafe zu blenden, und sie dem draußen darauf lauernden Aufklärungsteufel in den Rachen zu jagen". Moses Mendelssohn seufzt zur selben Zeit in derselben Zeitschrift: "Die Worte Aufklärung, Kultur, Bildung sind in unserer Sprache noch neue Ankömmlinge. Sie gehören vor der Hand bloß zur Büchersprache. Der gemeine Haufe verstehet sie kaum. Sollte dies ein Beweis sein, dass auch die Sache bei uns noch neu sei? Ich glaube kaum." Fragt der anonyme Leser: "... sie wollen aufklären und wissen nicht: was Licht ist, wo es herzunehmen, wie und wozu es nützt, und wie man leuchten soll, dass der arme blinde natürliche Mensch solches sehen und erkennen könne ? Und was haben Sie für Nutzen von Ihrem sogenannten Aufklärungsgeschäfte zu erwarten ?", und Kant antwortet ihm im Dezember 1784 mit dem berühmt gewordenen Essay, das den Titel "Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?" trägt und die klassisch gewordene Definition enthält: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen." Kant nennt "Faulheit und Feigheit" als Ursachen, "warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen, dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein." Diese Klage klingt sehr modern und bestimmt das Projekt Aufklärung mit ihrem den Epistel des Horaz entnommenen Wahlspruch "Sapere aude!" - "Wage es, weise zu sein!", dem Kant die Aufforderung "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" hinzufügt, als aktuell jenseits aller Epochengrenzen.

Titelblatt von Kants "Kritik der reinen Vernunft", 1781

Titelblatt von Kants "Kritik der reinen Vernunft", 1781