Karte 1763
Friedrich II. von Preußen Immanuel Kant Elisabeth Petrowna, Zarin von Russland Karl Abraham Freiherr von Zedlitz

1784    Friedrich und Immanuel – eine verpasste Gelegenheit

In Königsberg sorgt ein kleiner bescheidener Mann dafür, dass die ferne Residenz die “Hauptstadt der Philosophie“ genannt wird. Immanuel Kant, dort 1724 geboren, studiert an der Königsberger Universität, wird Hauslehrer und dann Dozent. Am 8.April 1756 bewirbt er sich in einem Schreiben an König Friedrich II. um die Professur für Logik und Metaphysik an der Königsberger Uni. Der Brief beginnt mit der Anrede "Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr" und erhält den lakonischen Kanzleivermerk “soll nur ad Acta gelegt werden". Im gleichen Jahr versucht Kant in einem Aufsatz über das Erdbeben von Lissabon, vor einem neuen Krieg zu warnen. Friedrich II. beginnt den 3.Schlesischen Krieg und Kant wird abgelehnt. Als ein Jahr später die Russen Königsberg besetzen, leisten alle Einwohner der Zarin Elisabeth Petrowna den Treueeid. Auch der Dozent Kant. Vielleicht ist das der Grund, weshalb der König fortan den Philosophen ebenso wie Königsberg ignoriert. Gerade mal zum Hilfsbibliothekar bringt es Kant 1765 unter dem König. 62 Taler pro Jahr verbessern nun etwas die kärgliche Finanzsituation des Dozenten. Rufe nach Erlangen, Jena und Halle lehnt er ab. Erst 1770 quittiert der König einen ministeriellen Vorschlag, Kant zum Professor für Logik und Metaphysik zu berufen. Andere Äußerungen Friedrichs zu Kant sind nicht bekannt.

Kant widmet dann 1781 seine wegweisende Schrift "Kritik der reinen Vernunft" dem Kultusminister Zedlitz und nicht dem König. Keine Reaktion aus Sanssouci vom König, der immerhin diesen Minister aus Schlesien geholt hat und über alles schätzt. So als würde Friedrich den Professor Kant nicht kennen, dessen Berufung er gegengezeichnet hat, dessen Name hin und wieder in den Berliner Zeitungen steht, dessen Artikel "Was ist Aufklärung?" in der "Berlinischen Monatsschrift" einiges Aufsehen erregt. "Bené". Aufklärung von Königs Gnaden. Was wäre geschehen, wenn der greise Monarch und der geniale Philosoph, wie einst Friedrich und Voltaire, in Sanssouci disputiert hätten? Kants kategorischer Imperativ, handle stets so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte, gegen den selbstgerechten Egozentriker, der für den Despoten jegliche Willkür in Anspruch nimmt, Kants Aufforderung: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! gegen Friedrichs Forderung nach blindem Gehorsam. Kant bringt die Ambivalenz der aufgeklärten Monarchie noch zu Friedrichs Lebzeiten auf den Punkt. In seinem Aufsatz "Was ist Aufklärung", der 1784 in Berlin erscheint, schreibt Kant:

Nun höre ich aber von allen Seiten rufen: räsoniert nicht! Der Offizier sagt: räsoniert nicht, sondern exerziert! Der Finanzrat: räsoniert nicht, sondern bezahlt! Der Geistliche: räsoniert nicht, sondern glaubt! (Nur ein einziger Herr in der Welt sagt: Räsoniert, soviel ihr wollt, und worüber ihr wollt; aber gehorcht!)

Dialektisch löst der geniale Philosoph dann den Antagonismus auf, in dem er zwischen dem öffentlichen Gebrauch der Vernunft des Offiziers oder des Beamten im Dienst, wo diese der Gehorsamspflicht unterliegen, und zwischen dem Privatgebrauch, also außerhalb des Dienstes, unterscheidet. Die Logik eines Philosophen, der zugleich preußischer Untertan ist und schließlich noch die Toleranzpolitik des Monarchen in religiösen Fragen als einen Anfang würdigt:

In diesem Betracht ist dieses Zeitalter das Zeitalter der Aufklärung oder das Jahrhundert Friedrichs.

Erst nach dem Tod des Philosophen auf dem Thron wird Kant am 7.Dezember 1786 zum Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften berufen. Danach erscheinen die “Kritik der praktischen Vernunft“ (1788) und die “Kritik der Urteilskraft“ (1790) mit denen er die klassische deutsche Philosophie begründet.

So hat der Alte Fritz den größten Philosophen des Jahrhunderts ebenso verpasst, wie schon die Geburt der deutschen Komödie.

Universität und Dom von Königsberg

Kant bewirbt sich am 8.4.1750 bei Friedrich II. um eine Professur

Zweite Seite des Bewerbungsschreibens von Kant an Friedrich II.

Titelblatt von Kants "Kritik der reinen Vernunft", 1781

Das Wohnhaus von Immanuel Kant

Zum ewigen Frieden, Manuskriptnotiz Kants