Karte 1922

Max Reinhardt

geboren9.9.1873 in Baden (Österreich)

gestorben31.10.1943 in New York

Schauspieler, Regisseur

Max Reinhardt hiess ursprünglich Max Goldmann und wurde als erstes Kind des ungarischen Kaufmanns Wilhelm Goldmann und der aus dem mährischen Nikolsburg stammenden Rosa Wengraf in Baden bei Wien geboren. Die jüdische Familie war kurz zuvor zwangsweise von Stampfen (gelegen im Komitat Preßburg im Königreich Ungarn) nach Österreich umgesiedelt worden. Zunächst schien das Geschäft des Vaters in Wien zu florieren, doch wurde die öffentliche Atmosphäre zunehmend von der antiliberalen und antisemitischen Kampagne der deutschnationalen Bewegung (der Alldeutschen) um Georg Ritter von Schönerer bestimmt. Die Folgen des Börsenkrachs, der im Mai 1873, wenige Monate vor der Geburt des Sohnes stattgefunden hatte, führten zu einer stetigen Verschlechterung der Bilanzen. Die Familie verarmte, ein Vorgang, der dem heranwachsenden Kind und erst recht dem Jugendlichen durchaus bewusst war. Nach dem Schulabschluss trat er eine Banklehre an, nahm jedoch nebenbei Schauspielunterricht. 1890 trat er an der "Fürstlich Sulkowskyschen" Elevenbühne in Matzleinsdorf, einem Vorort von Wien, erstmals öffentlich als Schauspieler auf. Auf den Theaterzetteln gab er sich den Künstlernamen "Reinhardt", den er einer Figur aus Theodor Storms Novelle "Immensee" entlehnt haben soll. Ab 1904 nannte sich auch seine Familie - mit offizieller Genehmigung - Reinhardt. 1893/94 war er am Salzburger Stadttheater als Charakterdarsteller engagiert. 1894 ging er als Schauspieler an das Deutsche Theater in Berlin, wo er bis 1902 vorwiegend für das Rollenfach "alter Mann" besetzt wird. 1901 gründet er mit einigen Kollegen in Berlin die Kleinkunstbühne "Schall und Rauch", die 1902 die Konzession für abendfüllende Stücke erhält und in "Kleines Theater" umbenannt wird. Das ist der Startpunkt für die Doppelkarriere des Max Reinhardt sowohl als Theaterleiter wie auch als Regisseur. 1903 übernimmt er die Leitung des "Kleinen Theaters" und zugleich die des "Neuen Theaters" (heute: Berliner Ensemble, Theater am Schiffbauerdamm). 1905 wird er Direktor des Deutschen Theaters, an dem er noch drei Jahre zuvor als Schauspieler auf der Bühne gestanden hatte. Im selben Jahr gründet er eine Schauspielschule und eröffnet 1906 die Kammerspiele, die dem Deutschen Theater angeschlossen sind. Er führt 1911 Carl Vollmöllers Mysterienspiel "Mirakel" in der etwa 10.000 Zuschauer fassenden Londoner Olympiahall auf. 1912 folgten eine Tournee durch Rußland und das erste Gastspiel der Reinhardt-Bühnen in den USA. Von 1915 bis 1918 leitete er ausserdem die Berliner Volksbühne. 1917 richtete er am Deutschen Theater die experimentelle Bühne "Das junge Deutschland" ein, die sich der noch jungen expressionistischen Literatur annimmt. Das Gegenkonzept findet sich 1919 in der Eröffnung des Großen Schauspielhauses im umgebauten Zirkus Schumann in Berlin (später: Friedrichstadtpalast), mit dem Reinhardt sein Berliner Theater-Imperium abrundete, und das wegen seiner Massenveranstaltungen mit über 3000 Zuschauern von standesbewussten Kreisen auch als "Zirkus Reinhardt" kritisiert wurde. Doch Reinhardt war nicht nur kommerziell erfolgreich. Nach der Uraufführung von Hugo von Hofmannsthals "Jedermann" unter seiner Regie am Deutschen Theater holte ihn Richard Strauss 1911 für die Uraufführung des "Rosenkavaliers" nach Dresden. Mit der Inszenierung setzte er neue Maßstäbe in der Opernregie, indem er den Sängern auch schaupielerische Leistungen abverlangte und gegenüber einer reinen Musikorientierung die dramatischen Aspekte des Werk aufwertete. Umgekehrt nahm er in das Schauspiel opernhafte Elemente auf, indem er die Großrauminszenierung mit riesiger Bühnenmaschinerie und einer Vielzahl von Statisten einführte. Mit diesem "Schautheater" setzte er ebenfalls neue Maßstäbe und darf insgesamt als der Begründer des modernen Regietheaters gelten. Neu war auch Reinhardts Idee, klassische Stücke aus dem Geist der Gegenwart heraus in Szene zu setzen und mit Hamlet und Othello moderne Menschen auf die Bühne zu bringen, deren Konflikte auch die heutigen, demnach zeitlos sind. Er ist ausserdem der erste, der in Deutschland Theater für Kinder macht. Nach dem Ersten Weltkrieg versuchte Reinhardt, sich mehr in Österreich zu engagieren. Bereits 1918 hatte er das Schloß Leopoldskron bei Salzburg gekauft, 1920 war er Mitbegründer der Salzburger Festspiele, die er auch künstlerisch prägte. Im ersten Jahr brachte er Hofmannsthals "Jedermann" auf dem Salzburger Domplatz als Massenspiel zur Aufführung, bei dem der Dom, das Brausen der Orgel und das Läuten sämtlicher Kirchenglocken der Stadt in das Spiel integriert wurden. 1922 gab Reinhardt die Direktion der Berliner Bühnen ab, kaufte 1923 das Wiener "Theater in der Josephstadt", das er umbauen liess und 1924 eröffnete. Doch im selben Jahr wurde er nicht nur wieder Direktor der Berliner Bühnen und verpflichtete Bertolt Brecht und Carl Zuckmayer als Dramaturgen an das Deutsche Theater, er eröffnete auch gleichzeitig die Komödie am Kurfürstendamm und feierte mit 298 Vorstellungen des "Mirakels" Triumphe in den USA. 1927 gastierte das gesamte Schauspieler-Ensemble des Deutschen Theaters für elf Wochen mit acht verschiedenen Reinhardt-Inszenierungen in New York. 1928 eröffnete er das Berliner Theater und im selben Jahr eine Schauspiel- und Regieschule in Wien (Max-Reinhardt-Seminar). 1932 gab Reinhardt die Leitung der Berliner Bühnen ab und inszenierte 1933 sein letztes Stück auf deutschem Boden, Hugo von Hofmannsthals "Welttheater", im Deutschen Theater. Die Nationalsozialisten hatten ihm eine "Ehren-Arierschaft" angeboten, die er ablehnte. Infolgedessen verlor er nicht nur seine berufliche Stellung, sondern auch seinen Besitz. Er verliess Berlin, gab auch die Direktion des "Theaters in der Josephstadt" ab, nahm aber noch Einladungen zu Gastinszenierungen an, so etwa in Oxford, Florenz oder Venedig. Nach dem Anschluss Österreichs beschlagnahmten die Deutschen 1938 unter dem Vorwand, (nichtexistente) Steuerschulden für die österreichische Regierung einzutreiben, das Schloss Leopoldskron mitsamt Inventar. Bei den Salzburger Festspielen randalierten Nazis bei der Aufführung seines "Faust". Reinhardt emigrierte über London nach New York, konnte jedoch als Exilant an die früheren Erfolge nicht mehr anknüpfen. Mehrere Projekte scheiterten, weil sich keine Sponsoren finden liessen. Auch Hollywood brachte nicht die Rettung. Reinhardt, der nicht das Geld hat, sich zur Ruhe zu setzen, kann sich auch mit Kursen und Workshops nicht über Wasser halten. Er, der in seiner Jugend schon einmal "durch die Martern der plötzlichen Verarmung" in seinem Elterhaus gegangen war, versinkt in den USA bald in materielle Not und es hilft ihm auch nicht, dass er 1940 die amerikanische Staatsangehörigkeit zugesprochen bekommt. 1943 erleidet er in New York wenige Wochen nach seinem 70. Geburtstag einen Schlaganfall, an dessen Folgen er stirbt.

Max Reinhardt