Karte 1866

Ferdinand Lassalle

geboren11.4.1825 in Breslau

gestorben31.8.1864 in Genf

Publizist

ADAV

Ferdinand Lassalle wurde 1825 als Sohn eines jüdischen Seidenhändlers und Stadtrats in Breslau geboren. Nach Beendigung seiner Schulzeit befasste er sich intensiv mit dem Denken Hegels und studierte seit 1843 Philosophie und Geschichte in Breslau und Berlin. Da er es als Jude an der Universität nur bis zum Privatdozenten gebracht hätte und andererseits eine Abhängigkeit mit sich bringende Anstellung als Journalist ablehnte, war sein Engagement für die Demokratie nicht nur durch Überzeugung, sondern auch durch sein Streben nach persönlicher Unabhängigkeit motiviert. Diese beiden Motivationen waren es auch, die Lassalle in zwei Erbschaftsstreitigkeiten eingreifen ließen: die erste betraf Heinrich Heine, den er für die demokratische Sache gewinnen und gegen die Ungerechtigkeit, die das deutsche Bürgertum ihrem größten Dichter widerfahren ließ, verteidigen wollte. Heines dankbare Fürsprache vergrößerte Lassalles Ansehen erheblich und leitete einen regelrechten Lassallekult ein. Die andere Erbangelegenheit brachte ihm die lebenslange Kampfgemeinschaft und Freundschaft der Gräfin Hatzfeld ein, die er, obwohl formal kein Jurist, dank seiner inzwischen erworbenen juristischen Kenntnisse erfolgreich gegen ihren habgierigen Ehemann in Schutz genommen hatte. Außerdem erwarb er sich so finanzielle Unabhängigkeit.

1848/49 war Lassalle ein begeisternder Redner für die Sache der rheinischen Demokraten. In dieser Zeit befreundete er sich mit Karl Marx, deren Freundschaft jedoch bald aufgrund unterschiedlicher theoretischer Ansichten und Charakterunterschiede abkühlte. Nach dem Scheitern der Revolution wurde er wegen Hochverrats angeklagt und verhaftet. Er nutzte die Zeit seiner Haft für die Abfassung der „Geschichte der sozialen Entwicklung“, in der er, ausgehend von der alten Gleichheitsforderung der französischen Revolution, die Abschaffung des „Privilegs des Kapitalbesitzes“ propagiert. Dies sei aber nicht durch ein „soziales Königtum“, sondern nur durch einen „Arbeiterkommunismus“ erreichbar, in dem die absolute soziale Gleichheit auf solidarischer Grundlage herrschen würde. Dieses Ziel machte auch seine These vom „ehernen Lohngesetz“ notwendig, nach der Arbeiter, sofern sie nicht im Besitz des Kapitals seien, niemals mehr Lohn erhalten würden, als für ihren Lebensunterhalt notwendig sei. Seine wohl bedeutendste politische Schrift, „Das System der erworbenen Rechte, eine Versöhnung des positiven Rechts und der Rechtsphilosophie“ untermauerte die Prophezeiung eines solidarischen Arbeiterkommunismus auch geschichtsphilosophisch: nach dem unmittelbaren Eigentum am Menschen, der Sklaverei, und dem mittelbaren, der Leibeigenschaft, sei nun auch die vermittelte Verfügung über Arbeit vermöge des Kapitalbesitzes an der Reihe, abgeschafft zu werden.

Lassalle beharrte auf dem Standpunkt Hegels, dass Staat und Recht Ausdruck und Selbstverwirklichung des Rechts seien. Dass diese offensichtlich weit entfernt von ihrem Idealzustand sind, hat ihn, anders als Marx, nicht dazu veranlasst, sich den sozioökonomischen Wirkkräften zuzuwenden. Statt dessen sieht er in dem Widerspruch zwischen Idee und Realität von Staat und Recht, die in ihrem Zwangscharakter letztendlich sogar überflüssig werden sollen, eher eine Bestätigung der Notwendigkeit künftigen Wandels. Unbeachtet seines so sehr begrifflich-idealistischen Denkens hat Lassalle die Revolution oder ihre tätige Herbeiführung keineswegs für überflüssig erachtet. Im Gegenteil – selbst seine Misstrauen erweckenden Geheimgespräche mit dem preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck waren pragmatischen Charakters, da Lassalle auf diese Weise die Möglichkeit zu offener Agitation bewahren wollte.

Diese Gespräche führte er 1863/64 als er bereits Vorsitzender des „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins“ (ADAV) geworden war. Ende 1862 hatte Lassalle das aus der Leipziger Arbeiterbewegung kommende Angebot erreicht, die Leitung eines noch zu gründenden Arbeitervereins zu übernehmen. Am 23.05.1863 erfolgte dann in Leipzig die Gründung des „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins“, des ersten deutschlandweit organisierten und operierenden Zusammenschlusses von Arbeitern. Lassalle war maßgeblich an der Formulierung der Satzung beteiligt, die dem Vorsitzenden große Vollmachten einräumten. Er verstand es, durch einprägsame Losungen, der jungen Organisation eine Richtung und Einheit zu geben. Er hielt Reden auf großen Versammlungen und wurde von den Massen gefeiert.

Aus dieser vielversprechenden Tätigkeit wurde Lassalle im Sommer 1864 durch seinen Tod in einem Duell gerissen. Er hatte um die Hand einer bayerischen Diplomatentochter angehalten, war jedoch zunächst von ihren Eltern später von der Braut in spe abgewiesen worden. In seinem Zorn forderte er den alten und neuen Verlobten seiner verhinderten Braut zum Duell. Er erhielt eine Verwundung im Unterleib, der er drei Tage später erlag.

Ferdinand Lassalle