Karte 1922

Philipp Fürst zu Eulenburg und Hertefeld

geboren12.2.1847 in Königsberg

gestorben7.9.1921 in Schloss Liebenberg/Uckermark

Trotz seines Widerstrebens wurde Eulenburg von seinem Vater, einem preußischen Major, für die militärische Laufbahn bestimmt. Nachdem er 1867 zum Gardeoffizier ernannt und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden war, quittierte er den Dienst und nahm ein Jurastudium in Leipzig und Straßburg auf. 1875 heiratete Eulenburg die schwedische Gräfin Augusta von Sandels. Der als glücklich geschilderten Ehe entstammten acht Kinder. Nach kurzer Richtertätigkeit wechselte er 1877 in die diplomatische Laufbahn über, die ihn über eine Reihe kleiner und mittlerer Residenzen in die preußische Gesandtschaft nach München führte, wo er sich durch hohes diplomatisches Geschick während der kritischen Periode der Entthronung und des Todes Ludwigs II. auszeichnete. Im Mai 1886 lernte Eulenburg den damaligen Kronprinzen Wilhelm kennen, mit dem ihm bald eine enge Freundschaft verband. Noch im Sommer des gleichen Jahres fuhren beide an den Starnberger See, wo der spätere Kaiser auch die Fischer Georg Riedel und Jakob Ernst kennen lernte, zu denen Eulenburg intime Beziehungen unterhielt.

Nach dem Regierungsantritt Wilhelms II. rückte Eulenburg zum wichtigsten außerparlamentarischen Berater des Kaisers auf. In den zwei Jahrzehnten seiner Tätigkeit mühte sich Eulenburg, stabilisierend und mäßigend auf den schwierigen Charakter Wilhelms II. einzuwirken, aus seinem konservativen Weltbild heraus unterstützte er jedoch auch die antijüdischen und rassistischen Vorurteile des Herrschers. In der Krise, die zu Bismarcks Sturz führte, vertiefte er die Kluft zwischen Kaiser und Kanzler, dessen Politik, insbesondere gegenüber Russland, Eulenburg missbilligte. Auf seinem Gut im uckermärkischen Liebenberg sorgte er für Entspannung und Abwechslung des kaiserlichen Freundes. Zum engen Kern der „Liebenberger Runde“ zählten ausschließlich homosexuelle Freunde des Fürsten, etwa Kuno von Moltke, Eberhard zu Dohna-Schlobitten oder Georg von Hülsen-Häseler. Die Männer traten zur Unterhaltung des Kaisers in Frauenkleidern auf, machten als Pudel „Männchen“, trugen gefühlvolle Skaldengesänge vor und zeigten leicht bekleidet turnerische Übungen.

Von 1894 bis 1902 war Eulenburg als deutscher Botschafter in Wien tätig. 1895 kam es zur ersten Affäre in einer nicht mehr abreißenden Kette von Intrigen und Skandalen. Die Frau seines ebenfalls Männer liebenden Bruders Friedrich Botho begann sich öffentlich über die Homosexualität ihres Gatten zu äußern. Eulenburgs sämtlichen Versuche, diese Krise unter der Decke zu halten, erwiesen sich als erfolglos. Ein Jahr später wurde er selbst von einem Wiener Bademeister erpresst, den er mit der riesigen Summe von 60.000 Reichstalern zum Schweigen zu bringen versuchte. Schließlich musste Eulenburg kompromittierende Enthüllungen durch Lily von Heyden befürchten, die seinen Freund Kuno von Moltke homosexueller Handlungen bezichtigte. Eulenburg fühlte sich so stark durch diese Affären diskreditiert, dass er als Botschafter demissionierte. 1906 holten der Publizist Maximilian Harden und der Diplomat Friedrich von Holstein, beides politische Gegner Eulenburgs, die belastendes Material zusammengetragen hatten, zum publizistischen Generalangriff gegen den Fürsten aus. Es folgte der größte innenpolitische Skandal der Wilhelminischen Ära.

Eulenburg wurde als Zeuge in dem Prozess gegen Bernhard von Bülow vorgeladen, wo er sich offen zu romantischen Männerfreundschaften bekannte, Verfehlungen nach § 175 BGB jedoch vehement abstritt. Bei einer Hausdurchsuchung in Liebenberg wurden zahlreiche homoerotische Werke gefunden, die Eulenburg jedoch in Vorahnung kommenden Unheils mit dem Namen eines Freundes versehen hatte, um von sich abzulenken. Nach dem Geständnis der Starnberger Fischer Riedel und Ernst wurde er 1908 wegen Meineids vor Gericht gestellt; einer drohenden Verurteilung konnte er sich nur mit ärztlichen Attesten entziehen, die ihm dauernde Verhandlungsunfähigkeit bescheinigten. Der zweitwichtigste Mann des Wilhelminischen Reiches, der mehrfach für das Amt des Reichskanzlers vorgesehen war (was er jedes Mal ablehnte), starb 1921 auf seinem Familiensitz.

Philipp Fürst zu Eulenburg und Hertefeld