Karte 1866

Kinderarbeit

Die Beschäftigung von Kindern in einem Arbeitsverhältnis. Die Feststellung, ob es sich im konkreten Fall um Kinderarbeit handelt, hängt von den Bestimmungen zur Altersgrenze ab, nicht aber davon, ob es sich um ein vertraglich geregeltes Arbeitsverhältnis handelt, denn meist fehlt genau das. Mit der merkantilistischen Wirtschaftsform, den Manufakturen und später mit Beginn der Industrialisierung entstanden auch in Preußen überall monotone, leicht erlernbare und leicht durchführbare Tätigkeiten, die den Einsatz von Kindern in großem Umfang erst möglich machen. Teilweise erforderte die Arbeit sogar den Einsatz von Kindern, sei es in Bergwerken in engen Schächten oder in der Weberei, wo kleine Kinderhände für die Arbeiten besser geeignet waren als die Hände der Erwachsenen. Hinzu kamen Arbeitskräftemangel, in Verbindung mit einer Expansion der Produktion. Um neue Produktionszweige einführen zu können, wurden diese mit Armen- und Waisenhäusern verbunden. Auch der Erziehungsgedanke ließ die Kinderarbeit in den Waisenhäusern zunehmen, nicht zu vergessen, daß Kinder immer höchst willige und billige Arbeitskräfte darstellen. Die Folgen für den allgemeinen Gesundheitszustand der kindlichen Bevölkerung waren katastrophal. Beginnend in England (1802), dem Vorreiter der industriellen Produktion, wurden deshalb in allen europäischen Ländern Kinderschutzgesetze erlassen, die aber meist die Kinderarbeit nur zögernd einschränkten, keinesfalls aufhoben. Mit dem "Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabriken" vom März 1839 soll die Kinderarbeit in Preußen eingeschränkt werden, nachdem festgestellt wurde, daß der größte Teil der Kinder durch die schlechten Lebensbedingungen später keine Militärtauglichkeit haben wird. Das Mindestalter arbeitender Kinder wird auf neun Jahre festgesetzt, die Arbeitszeit auf zehn Stunden täglich beschränkt. Arbeit an Sonn- und Feiertagen sowie Nachtarbeit werden verboten. Drei Jahre Schulbesuch werden zur Pflicht gemacht. Eine 1845 von der preußischen Regierung durchgeführte Erhebung über den Erfolg dieser Regelung zeigt, daß sie im wesentlichen unwirksam geblieben ist. 1853 wird in Preußen die Kinderarbeit unter 12 Jahren verboten. Zwischen dem 12. und dem 14. Lebensjahr dürfen die Kinder maximal sechs Stunden täglich beschäftigt werden. 1891 wird das Verbot auf die Beschäftigung von Kindern unter 13 Jahren ausgedehnt und ab 1903 durften Kinder unter 14 Jahren nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden. Doch gerade in Gruben, Walzwerken und Glashütten wurden zahlreiche Ausnahmen zugelassen oder Übertretungen nachgesehen, weil der Betrieb rund um die Uhr laufen mußte. Grundsätzlich verboten wurde die Kinderarbeit in Deutschland erst nach 1945, das weitere regelt heute das Jugendarbeitsschutzgesetz, dessen Einhaltung vom Gewerbeaufsichtsamt überwacht wird.